Blog zu Themen und Fragen aus der Philosophie. Schwerpunkte aktuell sind Digitale Ethik, Bildethik und Künstliche Intelligenz. Ich führe den Blog (mit Ferienpausen) in der Regel im Wochenrhythmus. Kommentare sind möglich und erwünscht.
15.05.2024
📍Chatbots sind “anthropomorphe Softwareagenten” (Prof. Dr. Oliver Bendel), also von Anfang an so gedacht, dass sie menschenähnlich kommunizieren. Warum sollten wir als Menschen auch länger daran Spass haben, mit einer Maschine zu kommunizieren? Dann lieber noch mit meiner Büro-Sukkulente plaudern. Die Bots sind bewusst so programmiert, dass sie menschenähnlich antworten: Das hält unsere Aufmerksamkeit hoch, verlängert unsere Interaktionszeit mit dem Chat und steigert die Anzahl der Interaktionen.
🔎 Ich persönlich benutze den Copilot von Microsoft. Über dem Promptfenster (Fragen Sie mich etwas…) werde ich mit folgenden Buttons begrüsst: Etwas Cooles anzeigen, Lied verfassen und Bring mich zum Lächeln. Der Microsoft-Copilot adressiert mich von Anfang an immer auch als spassbedürftigen Kommunikationspartner (und U-Konsument). Nur: Warum sollte ich wollen, dass mich ein Chatbot zum Lächeln bringt?
👉 Aus dem Blickwinkel der Ethik stellt sich die Frage, ob es legitim ist, dass Chatbots so anthropomorph auftreten. Jede Technologie hat einen Aufforderungscharakter (Grimm et al. 2019: 80). Das anthropomorphe Impressionmanagement von Chatbots muss als Affordanz verstanden werden. Als Chatbot-User muss ich mich fragen: Wie verstehe ich mich selbst in der Kommunikation mit dem Bot? In welchem Tonfall kommuniziere ich mit der Maschine? Nach über einem Jahr Prompt-Praxis (in der ich unterschiedliche Kommunikationsstrategien und Ton-Ebenen ausprobiert habe) übe ich mich in einer distanzierten Version, in der ich in etwa so extrovertiert kommuniziere, wie wenn ich per Mail auf dem Amt um eine Auskunft anfrage.
🤔 Bedenken habe ich bei einsamen Usern (insbesondere heranwachsenden), für die die Kommunikation bzw. der Austausch mit dem Bot eine problematische Ersatzfunktion bekommen könnte. Hier könnte die Affordanz der Chatbots zu Abhängigkeitsverhältnissen führen. Wie die US-amerikanischen Chatbot-Firmen wohl mit Suizid-Klagen umgehen würden?
💡 Da die meisten Chatbots (in der Basis-Version) kostenlos angeboten werden, stellt sich auch bei den Bot-Tools die berechtigte Frage, womit wir dann als User zahlen. Ich vermute, dass wir als Prompt-Trainer der LLM eingespannt werden.
PS: Ein Buch, das ich zur Kommunikation mit Chatbots wärmstens empfehlen kann:
👉 “Was macht KI mit unserer Sprache?” von Christoph Drösser.
Bild: DALL-E prompted by PN.
Pavel - 10:36 @ Philo-Blog | Kommentar hinzufügen
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