Blog zu Themen und Fragen aus Philosophie und Kultur. Ich poste hier rund alle zwei Wochen bzw. mindestens einmal im Monat.
24.10.2024
Für eine Veranstaltung habe ich mir zur Impulsfrage «Was hat das mit mir zu tun?» folgende Gedanken gemacht:
1. Im Kern ist die Frage «Was hat das mit mir zu tun?» eine Synchronisierungsfrage: Zwei getrennte Grössen werden zueinander in Bezug gebracht: «ich» und «das».
2. Man kann die Frage «Was hat das mit mir zu tun?» schnell denken (Kahneman 2012). Dann ist sie eine praktische, oft auch moralische Frage, die sich mir immer wieder in Alltags- oder Berufssituationen stellt: Was haben die gesundheitlichen Probleme eines Freundes mit mir zu tun? Was hat die Baustelle meines Nachbars mit mir zu tun? Was haben die Umstrukturierungspläne in meinem Betrieb mit mir zu tun? Usw.
3. Man kann die Frage «Was hat das mit mir zu tun?» aber auch langsam denken (Kahneman 2012): Dann wird sie zu einer grundsätzlichen, existentiellen, ja philosophischen Frage: «Was hat das GANZE mit mir zu tun? Warum bin ich hier? Was mache ich hier?»
4. Eine solche Frage kann nur ein Wesen stellen, welches nicht von Natur aus mit seiner Umgebung verbunden ist (oder sich verbunden fühlt). Die Frage entsteht, weil Menschen (anthropologisch gesehen) nicht automatisch mit einer Situation oder einem Umfeld oder einer grundsätzlichen existentiellen Situation verbunden sind. Der Mensch ist ein exzentrisches Wesen (Plessner 1928), darum steht er immer wieder vor Synchronisierungsaufgaben. Überspitzt formuliert: Eigentlich machen wir unser Leben lang nichts anderes, als uns mit wechselnden Situationen zu syn-chro-ni-sie-ren: im praktischen Alltag, in Beziehungen, im Beruf, in der Politik usw.
5. Menschen müssen sich immer wieder In-Beziehung-Setzen, auch zu sich selbst: mit unserem Körper, mit unseren Gefühlen, mit unseren Bedürfnissen, mit unseren Wünschen, mit unseren Ideen. Das ist nicht selbstverständlich und auch nicht immer einfach. Für die permanente Synchronisierungsaufgabe braucht es Ressourcen. Wenn ich die Synchronisierung nicht oder nur teilweise schaffe, stellen sich Dissonanzen ein.
6. Wenn wir nicht-bewusste Wesen, also Entitäten ohne Bewusstsein wären, würden wir uns die Frage von heute abend (wohl) nicht stellen. Vielleicht ist die heutige Frage sogar die Kernfrage des Bewusstseins bzw. eines bewussten Wesens: «Was hat das mit mir zu tun?» Bewusstsein führt dazu, dass das bewusste Wesen sich mit seiner Umgebung in Relation setzen und synchronisieren muss.
Pavel - 17:40 @ Philo-Blog | Kommentar hinzufügen