Märchen sind uralte Geschichten, die sich an erwachsene Ohren richten. Seit der Sammlung Kinder- und Hausmärchen (Erstausgabe 1812) der Brüder Grimm meinen wir, dass Märchen für ein Kinderpublikum gedacht sind. Themen wie Liebe, Glück, Isolation, Streit, Angst, Tod etc. und die symbolstarke Bildsprache von Märchen sind aber nicht immer geeignet für Kinderseelen. Volksmärchen wurden in allen Kulturkreisen von Generation zu Generation durch Erzähler:innen weitergegeben. Mit der Industrialisierung begannen Forscher:innen ab ca. 1800, Volksmärchen zu sammeln und eine schriftliche Fassung niederzuschreiben, um das uralte und mündliche überlieferte Erzählgut zu erhalten. Märchen können tiefe Wahrheiten bergen und haben darum einen menschenbildnerischen Wert. Die Märchensammlung der Brüder Grimm ist seit 2005 UNESCO-Weltdokumentenerbe. Auch in Italien (Basile: «Pentameron», 1634) und in Frankreich (Perrault) sowie im orientalischen, asiatischen, afrikanischen und im amerikanischen Kulturkreis wurden Märchen gesammelt. Wirklich lebendig werden Märchen erst im Erzählen vor Publikum. «Ein Märchen will gehört und nachvollzogen werden. Das ist (fast) alles» (Geiger 1982). In Österreich und Deutschland wurde darum Märchenerzählen als Immaterielles Kulturerbe anerkannt.